NEWHAM – Wo Bürger gehört werden
Bürger arbeiten gemeinsam für ihre Gemeinde und entscheiden über ihren Bürgerhaushalt. Eine Blaupause für partizipative Demokratie in Großbritannien?
Wie alles begann
Die Wahl von Rokhsana Fiaz zur neuen Bürgermeisterin von Newham brachte 2018 diesem Londoner Bezirk mit seinen 350.000 Einwohnern einen Wandel.
Nach Zeiten politischer Kontroversen, wollte sie das Vertrauen der Bürger zurück gewinnen.
Ihre Strategie: Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht schaffen und Bürger an den Entscheidungen beteiligen.
Wie funktioniert das?
Newham besteht aus acht Nachbarschaftsgemeinden. Diese werden von eigenen Managern und deren Teams geleitet. Sie kümmern sich um die Bewohner.

Nun aber sollen Bürger mehr Mitverantwortung für ihre Gemeinden übernehmen.
Das funktionierte folgendermaßen:
Eine gut organisierte Kampagne informierte die Leute über die geplanten Bürgerversammlungen (community assemblies). Jeder Interessierte war willkommen.
Der Zweck dieser Versammlungen: Die Bewohner sollten über ihre Gemeindepläne (community plans) selbst bestimmen. Bislang war es Aufgabe der Manager, diese Pläne für ihre jeweilige Nachbarschaftsgemeinde aufzustellen. Hierin werden Aktivitäten vorgeschlagen oder anstehende schwierige Aufgaben aufgeführt. Diese Rolle wurde jetzt an die Bürger delegiert.
Pro Nachbarschaftsgemeinde stand den Bürgern ein Budget von £25.000 für ihre Pläne zur Verfügung.
Über sechs Monate wurden 32 Versammlungen mit etwa 70 Teilnehmern abgehalten.
Hier wurden Prioritäten gesetzt, Ideen für den Gemeindeplan entwickelt und schließlich beschlossen, wie das Geld investiert werden sollte.
Ein Profi in Gruppenmoderation brachte den Managern Moderationstechniken bei, so dass diese ihre Gemeindenversammlungen selbst anleiten konnten.
Die Verwaltung stand den Bürgern für Diskussionen, Informationen und Fragen rund ums kommunale Haushaltswesen zur Verfügung. Drei interaktive Forum Veranstaltungen mit Verwaltungspersonal ermöglichte den Bürgern, weiteres Fachwissen zu erwerben.
Zwischen den Bürgerversammlungen trafen sich Arbeitsgruppen, um Details auszuarbeiten.
Sie setzten sich aus 8-12 Teilnehmenden je nach Thema des Gemeindeplans zusammen: Bürger, die sich freiwillig gemeldet hatten, Stadträte, Bezirksverwaltung und lokale Repräsentanten.
Das Konzept stellte sich als äußerst erfolgreich heraus. So viele Bürger meldeten sich für die Arbeitsgruppen, dass ein Losverfahren eingeführt wurde.
Was ist hier anders?

„Newham wird zur Blaupause für partizipatorische Demokratie in diesem Land. Wir müssen dies aber gemeinsam tun. Ich brauche Euch alle auf diesem Weg. Ich brauche Eure Leidenschaft. Ich brauche Eure Energie. Ich brauche Eure Ideen, und ich brauche Eure Lösungen. Gemeinsam werden wir zeigen, wie die Menschen zum Mittelpunkt all unserer Arbeiten im Stadtrat werden können.“
So drückte Bürgermeisterin Rokhsana Fiaz ihren Wunsch nach Bürgerbeteiligung aus, mit dem Ziel, die Spaltung zwischen Regierenden und den Bewohnern zu überwinden.
Vielleicht kann man Methoden nutzen, mit denen man Bürger einbezieht, deren Sichtweisen anhört und einarbeitet und dann zu gemeinschaftlichen Ergebnissen kommen? In Newham funktionierte das.
Wenn viele Menschen ihre Ansichten und Wirklichkeiten ausdrücken, bekommt man eine umfassendere Landkarte komplexer Realitäten als dies eine kleine Anzahl von Partei-Ideologien zu zeichnen vermag. Man findet auch bessere Lösungen auf diese Weise.
Newhams Ansatz begrüßt Spannungen. Denn der intelligente Entscheidungsfindungsprozess reduziert Konflikte.
Konflikte können nicht aus der Welt weg gestimmt werden, wie die traditionelle Politik es versucht. „51% Unterstützung – Spannungen sind weg“ funktioniert einfach nicht.
Achtung Fallstricke!
Neue Verfahren bringen Herausforderungen mit sich. Sie erfordern, dass alle lernen.
Die Kommunalverwaltung muss wissen, worum es bei partizipatorischen Ansätzen geht. Es braucht eine Gewöhnungszeit daran, dass Bürger ab jetzt nicht nur ihren Beitrag leisten, sondern dieser auch noch berücksichtigt werden muss.
Moderatoren und für Bürgerpartizipation Zuständige müssen lernen, wie die Kommunalverwaltung funktioniert.
Vor Beginn von Bürgerversammlungen müssen die Erwartungen aller Seiten geklärt werden. Welche Terminvorgaben hat die Verwaltung einzuhalten? Welcher Zeitrahmen ist für die Bürgerversammlungen erforderlich? Welchen Rahmen hat das Mandat der teilnehmenden Bürger? In welchem Umfang können die Ergebnisse der Bürger von Politik und Verwaltung berücksichtigt werden?
Erfolge feiern
Newhams bisherig Gemeinde-Bürgerversammlungen waren in vielerlei Hinsicht erfolgreich.
Die Teilnehmer fühlten sich wieder mit ihren Gemeinden verbunden. Die Arbeit an den eigenen Gemeindeplänen und an den Entscheidungen über das Budget bereitete Vielen Freude.
Die Gemeinde-Manager und ihre Teams stehen jetzt voll hinter dieser neuen Arbeitsweise and sind näher zusammengerückt als Team.
Um solche Erfolge zu erzielen bedarf es Authentizität, mit der die Menschen aufrichtig angehört und ihre Beiträge ernsthaft berücksichtigt werden.